Was versteht man unter der Beurteilung von Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung)?
Die Gefährdungsbeurteilung bietet Ihnen als Unternehmerin und Unternehmer ein systematisches Verfahren, um Arbeitsplätze sicher und gesund zu gestalten.
Über die rechtlichen Vorgaben hinaus hilft die Gefährdungsbeurteilung, betriebliche Abläufe sicherer und effizienter zu gestalten.
Sie fördert ein Arbeitsumfeld, in dem sich Mitarbeitende sicher und wertgeschätzt fühlen, was Motivation und Produktivität steigert. Die frühzeitige Erkennung von Risiken hilft, unfall- und krankheitsbedingte Ausfälle zu verhindern und damit sowohl Leid als auch Kosten zu reduzieren. In Bildungseinrichtungen hilft sie zudem, die Bildungsqualität und den Lernerfolg zu steigern.
Im Folgenden klären wir zentrale Fragen zur Erstellung und Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung – von der Identifikation der Risiken bis zur regelmäßigen Überprüfung und Dokumentation der Schutzmaßnahmen. Zudem erfahren Sie, wer Sie dabei unterstützen kann und wie psychische Belastungen zu beurteilen sind.
Gefährdungen sind alle Bedingungen und Einflüsse am Arbeitsplatz, die das Potenzial haben, die Sicherheit und Gesundheit von Mitarbeitenden zu beeinträchtigen. Hier ein beispielhafter Überblick über die häufigsten Gefährdungsfaktoren am Arbeitsplatz:
- Physikalische Gefährdungen: Dazu zählen Lärm, starke Vibrationen, extreme Temperaturen oder auch schlechte Beleuchtung.
- Chemische Gefährdungen: Wenn man mit gefährlichen Stoffen wie Chemikalien, Gasen oder Staub arbeitet, kann das Gesundheitsprobleme verursachen.
- Biologische Gefährdungen: In Bereichen wie Medizin, Laboratorien, Abwasseranlagen und Entsorgung besteht die Möglichkeit, mit Bakterien, Viren oder Pilzen in Kontakt zu kommen.
- Mechanische Gefährdungen: Maschinen und Werkzeuge bergen Verletzungsgefahren, insbesondere, wenn sie defekt sind, falsch bedient werden oder Schutzvorrichtungen fehlen.
- Ergonomische Gefährdungen: Eine ungünstige Körperhaltung, schweres Heben und Tragen oder oft wiederholte Bewegungen können auf Dauer die Muskeln und Gelenke belasten.
- Psychische Gefährdungen: Hoher Arbeitsdruck, Stress, Konflikte im Team oder unklare Arbeitsabläufe können die Psyche belasten und die Motivation beeinträchtigen.
Wenn Sie die unterschiedlichen Quellen für Gefährdungen kennen, können Sie ganz gezielt Maßnahmen treffen, um die Arbeit und das Umfeld Ihrer Mitarbeitenden sicherer zu machen. Dies trifft in Bildungseinrichtungen, etwa in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Universitäten, ebenso auf die Arbeits- und Lernumgebung von Lernenden und Lehrenden zu.
Eine sorgfältige Planung der Gefährdungsbeurteilung ist essenziell, um Zeit und Kosten zu sparen und eine reibungslose Durchführung sicherzustellen. Beginnen Sie damit, klare Verantwortlichkeiten festzulegen und diese transparent zu kommunizieren. Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei der Unternehmerin oder dem Unternehmer. Allerdings können spezifische Arbeitsschutzpflichten, wie die Unterstützung bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung, an Führungskräfte delegiert werden.
Wählen Sie geeignete Methoden und Werkzeuge, um die Gefährdungen systematisch zu erfassen und zu bewerten. Hierzu eignen sich Checklisten, Interviews, Beobachtungen sowie Dokumentationsvorlagen oder spezielle Software, die eine strukturierte Analyse unterstützen. Überlegen Sie auch, wer Sie in diesem Prozess unterstützen kann, wie zum Beispiel die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin, die Sicherheitsbeauftragten sowie zusätzliche Fachkundige. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbindung der Mitarbeitenden, da diese wertvollen Einblicke in die täglichen Arbeitsprozesse und potenziellen Risiken bieten können.
Klären Sie, ob bestimmte Schulungen für die Beteiligten erforderlich sind, um ein fundiertes Verständnis der Gefährdungsbeurteilung und ihrer Umsetzung sicherzustellen. Legen Sie eine klare Struktur für die Dokumentation fest, um alle Schritte und Ergebnisse nachvollziehbar zu halten. Eine gute Organisation erleichtert spätere Aktualisierungen und schafft Transparenz im gesamten Prozess. Integrieren Sie die Gefährdungsbeurteilung als festen Tagesordnungspunkt im Arbeitsschutzausschuss (ASA).
Es gibt keine festgelegte Vorgehensweise für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Umfang und Methode sollten stets an die spezifischen Bedingungen des Unternehmens bzw. der Einrichtung angepasst werden, da die Gefährdungen stark variieren können. In einer Kindertageseinrichtung liegt z. B. der Fokus auf Sicherheit im Umgang mit Kindern und psychischen Belastungen der Mitarbeitenden, während in einem Bauhof vor allem physische und technische Gefährdungen im Mittelpunkt stehen.
Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften bieten eine umfangreiche Sammlung konkreter Handlungshilfen, die speziell auf verschiedene Branchen und Tätigkeitsbereiche zugeschnitten sind. In der Praxis haben sich die folgenden sieben Schritte, wie in der einführenden Abbildung (siehe oben rechts), bewährt:
- Bereiche und Tätigkeiten festlegen: Alle relevanten Arbeitsbereiche und Tätigkeiten werden identifiziert und strukturiert erfasst. Dies dient als Grundlage für die Risikoanalyse und zeigt, wo potenzielle Gefährdungen auftreten könnten.
- Gefährdungen ermitteln: In diesem Schritt werden mögliche Gefährdungen für die erfassten Tätigkeiten und Bereiche systematisch identifiziert. Hierbei können physische, chemische, biologische oder ergonomische Risiken auftreten, die durch den Arbeitsablauf oder die Umgebung entstehen.
- Gefährdungen beurteilen: Die identifizierten Gefährdungen werden hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und des möglichen Schadensausmaßes bewertet. So können Risiken priorisiert und gezielt angegangen werden.
- Festlegen von Maßnahmen: Nach der Bewertung der Risiken werden konkrete Schutzmaßnahmen festgelegt, um die Gefährdungen zu beseitigen oder zu reduzieren. Es gilt eine klare Priorität: Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken stehen an erster Stelle, gefolgt von Maßnahmen zur Risikominderung. Persönliche Schutzausrüstung wird nur eingesetzt, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen. Dabei haben technische Maßnahmen Vorrang vor organisatorischen Lösungen. Vergessen Sie hier nicht verantwortliche Personen für die Umsetzung festzulegen.
- Durchführen von Maßnahmen: Die geplanten Schutzmaßnahmen werden von den Verantwortlichen umgesetzt. Hierbei ist es wichtig, dass die Maßnahmen vollständig und zeitnah implementiert werden.
- Wirksamkeitskontrolle: Nach der Umsetzung wird die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig überprüft. Falls die Maßnahmen nicht ausreichend sind, müssen Anpassungen vorgenommen werden, um die Sicherheit zu gewährleisten.
- Fortschreiben und anpassen: Alle Schritte und Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung werden dokumentiert. Die Gefährdungsbeurteilung wird regelmäßig aktualisiert und fortgeschrieben, insbesondere bei Veränderungen im Arbeitsablauf oder nach Vorfällen.
Diese Schritte bieten einen strukturierten Ansatz zur Schaffung eines sicheren Arbeits- und Lernumfelds und unterstützen eine nachhaltige Sicherheitskultur.
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt keine regelmäßige und vollständige Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung vor und enthält auch keine allgemeine Frist für deren Überarbeitung. Allerdings machen spezifische Arbeitsschutzverordnungen, wie die Gefahrstoffverordnung oder die Biostoffverordnung, klare Vorgaben zu Fristen und Kriterien für notwendige Aktualisierungen. Die Überprüfung einzelner Aspekte oder Gefährdungsfaktoren sollte daher bedarfsgerecht erfolgen. Entscheidend ist, dass die Gefährdungsbeurteilung stets aktualisiert wird, sobald neue Gefährdungen erkannt werden oder sich die betrieblichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit ändern. Anzeichen für solche Veränderungen können sich beispielsweise aus den folgenden Situationen ergeben:
- Änderung der Arbeitsbedingungen,
- neue Gefahrstoffe oder Arbeitsstoffe,
- Unfälle, Beinaheunfälle oder Berufskrankheiten,
- gesundheitliche Probleme oder Beschwerden der Beschäftigten,
- steigende Fehlzeiten,
- Änderungen gesetzlicher oder normativer Anforderungen,
- regelmäßige Begehungen,
- Erfahrung aus bisherigen Maßnahmen
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist gemäß § 6 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) vorgeschrieben und dient Ihnen als Nachweis, dass Sie Ihrer Pflicht nach § 5 ArbSchG nachgekommen sind, Gefährdungen zu beurteilen und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Zudem ist die Dokumentation eine Grundlage für die systematische Erfassung von Gefährdungen, die Planung und Überwachung von Maßnahmen sowie deren regelmäßige Aktualisierung. Sie fördert Transparenz und Kommunikation in Ihrem Unternehmen, Verwaltung bzw. Bildungseinrichtung, stärkt das Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit und unterstützt die nachhaltige Integration von Schutzmaßnahmen in die Arbeitsabläufe.
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung muss so erfolgen, dass sie klar nachvollziehbar und auch für Dritte verständlich ist. Sie sollte zunächst eine Beschreibung der Tätigkeiten oder Arbeitsbereiche enthalten, die beurteilt wurden, sowie die identifizierten Gefährdungen und deren Bewertung hinsichtlich des Risikogrades. Zudem sind die festgelegten Maßnahmen detailliert zu dokumentieren, einschließlich der Verantwortlichkeiten für deren Umsetzung und der vorgesehenen Termine. Ebenso wichtig ist es, die Ergebnisse der Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen zu erfassen, um sicherzustellen, dass diese geeignet sind.
Die Dokumentation kann in verschiedenen Formaten erfolgen, wie in schriftlicher Form, als digitale Aufzeichnung oder in Tabellen und Checklisten. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebene Form, aber sie muss so gestaltet sein, dass sie den genannten Anforderungen genügt und alle relevanten Informationen leicht zugänglich sind. Sie sollte stets aktuell gehalten und regelmäßig überprüft werden. Letztlich dient die Dokumentation nicht nur der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch der Transparenz innerhalb des Unternehmens bzw. der Kommune und der systematischen Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.
Sie können bei der Erstellung bzw. Überarbeitung der Gefährdungsbeurteilung auf verschiedene Fachleute und Ressourcen zurückgreifen, um sicherzustellen, dass die Beurteilung umfassend und fachgerecht erfolgt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die mit ihrem Fachwissen zur Identifikation von Gefährdungen und der Entwicklung geeigneter Maßnahmen beiträgt. Ergänzend dazu unterstützt die Betriebsärztin bzw. der Betriebsarzt insbesondere bei der Bewertung gesundheitlicher Risiken, etwa durch physische oder psychische Belastungen oder den Umgang mit Gefahrstoffen. Auch Sicherheitsbeauftragte aus der Belegschaft aber auch die Mitarbeitenden selbst können wertvolle Hinweise geben, da sie die Arbeitsprozesse und -bedingungen aus erster Hand kennen.
Auch interne Gremien wie der Arbeitsschutzausschuss (ASA) können in den Prozess eingebunden werden. Der ASA fördert den Austausch zwischen Führungskräften, Sicherheitsbeauftragten, der Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt wodurch eine ganzheitliche Betrachtung der Gefährdungen möglich wird. Zudem können im Rahmen der Pflichtenübertragung auch weitere Führungskräfte aktiv in die Gefährdungsbeurteilung eingebunden werden. Sie kennen die Arbeitsabläufe in ihren Verantwortungsbereichen genau und können spezifische Gefährdungen identifizieren sowie die Umsetzung von Maßnahmen koordinieren. Die betriebliche Interessenvertretung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, da diese sicherstellen, dass die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden.
Wenn im Betrieb nicht alle benötigten Expertisen vorhanden sind, können auch externe Beratende oder Dienstleistende hinzugezogen werden. Zudem stehen oft praxisnahe Hilfsmittel wie digitale Tools oder Vorlagen zur Verfügung, die den Prozess erleichtern. Darüber hinaus bieten die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften branchenspezifische Checklisten, Schulungen und Beratungsleistungen an, die Sie bei der systematischen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung unterstützen.
Informationen hierzu finden Sie auf unserer Webseite:
Zur Seite “Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung”
Weiterführende Informationen
- DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Pävention“ (PDF-Datei)
- Gefährdungsbeurteilung – Themen A-Z der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Link zur Website der DGUV)
- Gefährdungsbeurteilung – die Grundlage sicherer und gesunder Arbeit (Link zur Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin – BAuA)
- Kita-Tool “Kita sicher und gesund” der Unfallkasse Rheinland-Pfalz (Link zur Webseite)
Sichere und gesunde Kommune
Die Veranstaltungsreihe für Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und ihre Führungskräfte
Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz bietet maximal zweistündige Webinare zu wechselnden Themen an. Sie erhalten Informationen zur Wahrnehmung Ihrer Verantwortung. Darüber hinaus erhalten Sie die Möglichkeit, sich mit Kolleginnen, Kollegen und unseren Experten auszutauschen, um vorhandene Fragen zu beantworten.
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Gefährdungsbeurteilung in Kommunen
Das Seminar für leitende Führungskräfte
z. B. Ortsbürgermeisterinnen oder Ortsbürgermeister, Büroleitende, Bauhofleitende sowie Werkleitende
Für jede Arbeitgeberin bzw. jeden Arbeitgeber besteht die Verpflichtung, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dies gilt auch für Kommunen und deren Betriebe. Das Seminar soll den Teilnehmenden Anregungen geben, wie mit einfachen Mitteln eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden kann.